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Neverwinter Nights 2

Strategie

Die Hölle war über das Dorf Westhafen hereingebrochen. Asche schwebte wie schwarzer Schnee im Wind, sie stammte von den Feuern, die ins Mondlicht über dem Himmel darüber züngelten.
So beginnt die lang erwartete Fortsetzung des Bioware Hits Neverwinter Nights. Nach zwei AddOns ist jetzt allerdings nicht mehr Bioware, sondern Obsidian Entertainment für Neverwinter Nights 2 verantwortlich.
Wie die Einleitung bereits vermuten lässt, ist nach den Geschehnissen des Vorgängers alles andere als dauerhafte Ruhe eingekehrt. Denn in der Nähe von Westhafen tobte vor langer Zeit ein Kampf, der seine Spuren hinterlassen hat. Zufälligerweise lebt auch die Spielfigur in eben jenem Ort. Und so kommt eins zum anderen, als eines Tages der friedliche Ort überfallen wird. Nachdem der Angriff abgewehrt ist, macht sich der Held auf die Suche nach verschollenen Artefakten und der ein oder anderen Wahrheit. Als Grundlage für das Spiel wurde übrigens das AD&D Regelwerk in der Version 3.5 genutzt.

Wer die Wahl hat
Doch bevor man sich ins Abenteuer stürzen kann, muss erst eine Spielfigur erstellt werden. Aus 16 Rassen wird zuerst gewählt ob man nun als Mensch, Zwerg, gehörntes Wesen oder ganz anders durch die weite Welt ziehen will. Ist diese Entscheidung getroffen, wirds erst richtig haarig. Denn aus 12 Klassen muss eine ausgewählt werden. Vom Barden über Magier bis hin zu Kriegern oder Hexen ist alles dabei, was das Herz begehrt. Auch Mischklassen gibt es und damit man noch mehr Freiheit in der Ausbildung der Spielfigur bekommt, werden später im Spiel noch einmal zusätzliche Prestigeklassen freigeschaltet. Wie schon aus anderen AD&D Rollenspielen bekannt, müssen zu guter Letzt noch Punkte auf diverse Attribute und Startfähigkeiten verteilt und noch Gesinnung sowie Biographie festgelegt werden.

Es gibt viel zu tun
Logischerweise steht als erstes Ziel der Reise die Stadt Neverwinter oder auch Niewinter auf dem Programm. Da das natürlich nicht so leicht ist, wie man sich zuerst noch vorgestellt hat, kommt man dort nur über allerlei Umwege hin. Und selbst dann endet die Reise nicht, sondern fängt erst an. Während die Spielfigur nun also durch die Welt eilt, trifft sie auf eine ganze Reihe von verschiedenen Personen. Viele von ihnen helfen mit Informationen oder gar verschiedenen Aufträgen weiter. So gibt es neben der Hauptquest also noch eine Reihe von Nebenquests, die von der Länge sehr variieren. Manche werden sofort erledigt, während sich andere wiederum über eine ganze Zeit und auch mehrere Lokalitäten ziehen. Auch trifft man gelegentlich schon vorher getroffene Personen wieder, was der Welt einen geschlossenen Eindruck verleiht.
Für die Erfüllung der Aufträge winken meist Erfahrungspunkte und nützliche Gegenstände, die dann angelegt oder verkauft werden können. Interessanterweise kann man hier der Gesinnung des eigenen Alter Egos folgen und viele Missionen auf unterschiedliche Art und Weise

erledigen. So steht man irgendwann vor der Wahl, ein rebellisches Volk von Echsen entweder umzubringen oder lieber diplomatische Schläue zu beweisen und so eine friedliche Lösung zu finden.

Allein ists schwer
Damit es unserem Helden auf den Reisen durch und um Neverwinter nicht zu einsam wird, trifft er immer wieder auf mehr oder weniger nette Zeitgenossen, die sich ihm auch gern anschliessen wollen. Allerdings wird die so entstehende Party immer nur aus höchstens 4 Mann bestehen. So muss man sich als genau überlegen, wen man mitnimmt und wen nicht. Die Zusammenstellung der Gruppe kann man aber an bestimmten Orten im Spiel je nach Belieben auch wieder verändern. Witzig sind dabei die Konflikte zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern. Während man zwar volle Kontrolle über jeden einzelnen Charakter hat, besitzt jeder seine ganz eigene Meinung von der Welt und den darauf herumstreunenden Lebewesen. Neben Zwischensequenzen, die öfters hitzige Wortgefechte zeigen, gibt es sogar einzelne Missionen, die sich direkt mit der Persönlichkeit eines der Gruppenmitglieder beschäftigen.

Mit gezücktem Schwert
Logischerweise führt der Weg durch all die fremden Gegenden in so schweren Zeiten nicht an Kämpfen vorbei. Gewohnheitsgemäss ist das ja sogar das, was man neben reden hauptsächlich tut. Die Kämpfe laufen grundsätzlich in Echtzeit ab und können jederzeit pausiert werden. Allerdings kann jeder Charakter im Normalfall nur eine Aktion pro Runde ausführen. Eine Runde ist in dem Fall eine Zeiteinheit in deren Ablauf jede beteiligte Spielfigur ein Mal mit einer Aktion dran ist. Klingt etwas kompliziert? Ist es zwar nicht wirklich aber hinderlich ist das ganze System allemal, da trotz Pause und Vorausplanung immer etwas Restchaos und somit Stress bleibt. Ein rundenbasierter Mechanismus wäre da konsequenter und besser gewesen, siehe Temple of elemental evil. Zwar hat man auch in Neverwinter Nights 2 die Möglichkeit, den einzelnen Gruppenmitgliedern gewisse Regeln zum Verhalten aufzuerlegen, aber so richtig klappt das leider nicht immer. Z.B. stelle ich mir unter verhaltenem Zaubern etwas anderes vor, als gegen den letzten verbliebenen Gegner mit dem stärksten Flächenzauber vorzugehen. So muss denn doch oft von Hand eingegriffen werden und das kann, wie schon erwähnt, bei diesem System recht lästig sein.

Neues Spiel - neuer Rechner
Zum Schluss noch ein kleiner Blick auf die Präsentation von Neverwinter Nights 2. Hauptaugenmerk wurde sicherlich auch hierbei auf die Kämpfe gelegt und das merkt man auch. Jeder Zauber brennt da ein Effektfeuerwerk ab, dass es eine wahre Freude ist. Es rumst und kracht rings um Zauberformeln murmelnde Magier, Hexer und Druiden, während Lichtblitze abgewechselt von Explosionen den Bildschirm erhellen. Auch die Akkustik unterstützt das Ganze und so ist spätestens mit einem Hexenmeister in der Gruppe jeder Kampf ein echter Spass. Leider wurde den restlichen Grafiken nicht ganz so viel Beachtung geschenkt. Gerade was Häuser, Höhlen und sonstige Interiors angeht, fehlt etwas die Abwechslung. Da hätte man mehr herausholen können, gerade wenn man den Hardwarehunger ansieht, mit dem das Spiel daherkommt. Und der ist recht beachtlich. Denn selbst mit heruntergeschraubten Details kommen Mittelklasserechner ins Straucheln. Was wiederum hinsichtlich Optik sehr positiv auffällt, sind zum Einen die inzwischen üblichen, sofort sichtbaren Veränderungen bei getragener Ausrüstung. Zum anderen ist es der Kamerazoom, der immer wieder für Atmosphäre sorgen kann. Während man zwar die meiste Zeit das Geschehen von oben beobachtet, sollte man sich gerade im Inneren von Dungeons das Ganze aus der Nähe betrachten. Denn hat man weit genug hereingezoomt, sieht man Wände um sich herum, den Fußboden unter sich und sogar die Decke über sich. Zusammen mit dem Eindruck mitten zwischen seinen Leuten zu stehen, den wunderbaren Lichteffekten und passender Geräuschuntermalung, bekommt man wirklich das Gefühl in diesem Dungeon zu sein. Man spürt quasi die klaustrophobische Wirkung der Gänge, durch die man seine Figuren jagt. Einfach phantastisch.

Zusammenfassung: Nach Oblivion, Gothic 3 und Konsorten ist mit Neverwinter Nights 2 endlich wieder ein aktuelles „klassisches“ Rollenspiel in den Läden, das sich vor der Konkurrenz nicht zu verstecken braucht. Das Regelwerk, die Präsentation und die Atmosphäre sorgen für ein tolles Spielgefühl - so, wie man es bei Rollenspielen eigentlich erwartet. Kleinere Mankos wie die etwas unglückliche Kamerasteuerung und das stressige Kampfsystem sind dabei nur Gewöhnungssache und brauchen keine wirkliche Beachtung finden. Was mir besonders gut gefällt (und weshalb ich auch noch nicht bis zum Ende vom Spiel vorgedrungen bin) ist die Vielzahl an völlig unterschiedlichen Klassen. Klar, die hat man in anderen Spielen auch. Aber in Neverwinter Nights 2 spielen die sich auch wirklich vollkommen verschieden. So kommt denn auch die Experimentierfreude und Neugier, mit verschiedenen Charakteren zu spielen, hervor, die man sonst eher von MMORPGs kennt. Wer also demnächst viel Zeit hat und traditionelle Rollenspiele mag, sollte sofort zuschlagen. jw

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